Narr | Karnevalisten.info

Narr

Als Narr (von Althochdeutsch Narro), aber auch als Tor (davon hergeleitet töricht als Eigenschaft), wurde im Mittelalter ein Spaßmacher bezeichnet, der für Unterhaltung und Belustigung sorgen sollte und dabei meist auffällig gekleidet war. Als Tor oder Narr werden auch Personen bezeichnet, die sich sehr unreif, dumm, tollpatschig, voreingenommen, vorurteilsbehaftet und unwissend verhalten und die sich auf Basis ihrer Unwissenheit als Gelehrte aufplustern, ohne ihre Unwissenheit zu erkennen, weil sie denken, ihre Unwissenheit sei großes Wissen.

Außer Gebrauch gekommen ist die allgemeine Bedeutung eines „Narren“, der „närrische“, verdrehte, einfältige Dinge tut, halb mutwillig, halb wahnsinnig. Der Ausdruck wurde verunglimpfend gebraucht; allenfalls die Bezeichnung „Närrchen“, für ein Kind oder einen Jugendlichen, drückte gemischte Sympathie aus.

Die mittelalterliche Narrenfigur

Aus dem 12. Jahrhundert stammen Psalterillustrationen, die bei Psalm 53 (nach der früheren griechischen und lateinischen Zählung: Psalm 52) meist eine Figur zeigen, die einem König gegenübersteht. Diese Figur ist oft nackt, schwingt eine Keule oder isst ein Brot. Im weiteren Verlauf des Mittelalters veränderte sich diese Figur. Sie trug ein meist farbiges Kleid, oft ein Mi-Parti, das mit Schellen behängt war. Die Keule hatte sich zur Marotte oder zum Spiegel weiterentwickelt, ein Zeichen, dass der Narr in sich selbst verliebt war und Gott nicht erkannte. Oftmals wird die Figur mit einer Gugel, einer zipfeligen Mütze oder Kappe dargestellt, die ebenso mit Schellen behangen ist.

Diese Figur soll einen Narren, einen Unweisen (lat. insipiens) darstellen, der den weisen König David verhöhnt, der für Glauben steht und als Vorläufer Christi gilt. Der Anfang des Psalmes lautet: „Dixit insipiens in corde suo: Non est Deus“ („Es spricht der Narr in seinem Herzen: Es gibt keinen Gott“). Der Narr war also keineswegs eine Figur, die nur Späße machte, sondern eine negative Gestalt. In vielen Bildern wird der Narr häufig jenseits der Ständeordnung oder an allerletzter Stelle neben den Räubern, Blinden und anderen zwielichtigen Gestalten dargestellt. Eben bei jenen Figuren, die als sozial und geographisch heimatlos gelten und in der Welt umherirren, ohne von jemandem Anerkennung zu erhalten; noch in irgendeine gemeinschaftliche Gruppe aufgenommen werden. Da Gott, aber den Menschen - laut Gen 1,27- nach seinem Bild geschaffen haben soll, dann konnten solche unvollkommene, nutzlose, verkehrte Wesen in keiner Weise Ebenbilder dessen sein. Dadurch sagte man dem Narr eine Verwandtschaft mit dem Teufel nach, der für den Ursprung aller Narrheit stand.

Durch seine Gottesferne und seine Nähe zum Teufel stand der Narr später (14., 15. und 16. Jahrhundert) für vanitas (lat. Vergänglichkeit), also für den Tod. Der Narr hatte durch diese Allegorien den Einzug in die mittelalterliche Fastnacht gefunden, in der er heute noch eine große Rolle spielt. Hier sollte er ebenfalls als negative Gestalt in der negativen Zeit (die Fastnacht vor der österlichen, positiven Fastenzeit) seine Rolle als Gottesleugner, Teufel und Tod spielen.

Zu den Narren zählten aber nicht nur die geistig zurückgeblieben und körperlich Fehlgebildeten, sondern auch eine Gruppe von Leuten, die aus anderen Gründen mit Misstrauen betrachtet wurden. Denn auch die Juden hatten keinen Platz innerhalb der gesellschaftlichen Gemeinschaft. Durch die Verweigerung dem Christentum beizutreten, ordneten sie sich selbst zu der Gruppe der Außenseitern ein. In der Fastnacht, wurden Juden nicht als Vorbilder für die Kostümierung benutzt, sondern wurden zum Spottobjekt umfunktioniert. Auch die „Mohren“ gehören, als typische Angehörige des Heidentums zu dieser Gruppe von Menschen. Eine gewisse Nähe zum Narren hat auch der Bauer, der sich aufgrund des Mangels an Manieren und Bildung von der höheren Gesellschaft absondert und deshalb als unvollkommen dargestellt wird.

In Goethes „Faust II“ tritt der Teufel als Hofnarr auf.

Die verhältnismäßig späten Illustrationen in Psalterhandschriften können jedoch nicht dafür stehen, dass es die Figur des Narren bzw. Hofnarren nicht schon viel früher gegeben hat. Bereits Karl der Große verbot 789 dem Klerus in seinem Reich, sich neben Jagdhunden, Falken und Adlern auch „Spaßmacher“ zu halten. Auch sind Spaßmacher aus der Antike bekannt, wobei hier im Zweifel ist, inwiefern sie tatsächlich als Narr oder Hofnarr fungierten.

Die Faszination des Narren

Die Faszination, die vom Narren ausgeht, begründet sich wohl hauptsächlich darin, dass er ein Attribut verkörpert oder lebt, dem jeder Mensch durch eine Lappalie verfallen könnte. Die Verkörperung der Dummheit, verwerfliche moralische oder ethische Handlungen, gesellschaftliches Fehlverhalten oder einfach Auffälligkeit, sind Eigenschaften, die irgendwo jedem Menschen anhaften, Eigenschaften, denen man in einem Moment der Unachtsamkeit verfallen kann und sich somit zur Gruppe der Außenseiter gesellt.

Trotz seiner Abgeschiedenheit und besonderen Behandlung besteht also eine relativ hohe Identifikation mit der Figur des Narren. Denn die Tatsache, dass jeder narrhafte Züge trägt und egal, welcher ständischen Kategorie er angehört, in diese gesellschaftliche Gruppe absinken könnte, macht den Narren anziehend und in gleicher Weise zu einem Symbol der menschlichen Ängste des triebhaften Fehlverhaltens. Der Narr als Phänomen, das jeden in jedem Augenblick ereilen kann, das einem zum Lachen und Ängstigen bringt; eine Figur, die zu viele Rätsel mit sich bringt, als dass man sie nicht in irgendeiner Weise, zwar mit gewisser Distanz, aber trotzdem mit Interesse, betrachtet.

Der Narr heute

Heute wird das Wort Narr nur noch selten als abwertende Bezeichnung für Menschen verwendet, die sich unvernünftig verhalten. Erhalten hat sich allerdings der Volksmund-Spruch „Narrenhände beschmieren Tisch und Wände“. In einigen Dialekten, so z. B. im Österreichischen und Bayrischen, werden Konnotationen zum Narren noch heute im Umgangssprachlichen gebraucht (z. B. „narrisch werden“ für verrückt werden, oder Narrenhaus für Irrenhaus bzw. psychiatrische Anstalt, oder „ins Narrnkastl schaun“ für geistesabwesend ins Leere starren).

Insbesondere in der Zeit vor Aschermittwoch, also der Fastnacht oder dem Karneval, tritt die Figur des Narren heute noch häufig auf. Außerdem wurde im Oktober 2004 in England der 1649 durch Oliver Cromwell abgeschaffte Hofnarr (engl. Court jester) als England’s state jester wieder eingeführt.

Quelle: wikipedia.org
Bilder: Narr auf einer Kneipentür in der Altstadt von Brüggen @ bdk, Narrenspiegel am Rathaus von Nördlingen @ Metzner

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